Impfsarkom und Impfstoff-Temperatur

Impfsarkome (= iatrogener, dh vom Arzt verursachter Krebs) sind für Tierärzte ein unangenehmes Thema. Man meidet es lieber.

Wenn man aber doch drüber reden muss, dann greift man gern die Märchen auf, die von Impfstoffherstellern und deren Pharmareferenten verbreitet werden. Zum Beispiel das Märchen, dass die Erwärmung des Impfstoffs (*) vor der Injektion das Sarkom-Risiko senke oder gar eliminiere.

Woher kommt diese Idee? Ihr Ursprung ist eine Studie des US-Veterinärs Philipp Kass von 2003, in der es um Risikofaktoren für Impfsarkome ging (adjuvanshaltige vs adjuvansfreie Impfstoffe; Stärke der Injektionsnadel; Massieren der Impfstelle nach der Injektion u. a. m.). 

Kass selbst hat zur Verbreitung des Temperatur-Märchens beigetragen. Auf einer Tierarzt-Website schrieb er: „Die Verabreichung von kaltem Impfstoff war mit einem höheren Risiko der Sarkomentstehung assoziiert als die Verabreichung von Impfstoff auf Raumtemperatur“ (Übers. MP).

Sehen wir in die Studie rein. Das angebliche Ergebnis – also weniger Impfsarkom-Risiko, wenn der Impfstoff angewärmt wurde – beruht einzig und allein auf Auskünften der teilnehmenden Tierärzte.

Das ist sehr schwach und hat keinerlei wissenschaftliche Beweiskraft („garbage in, garbage out“).

Kass weiß das selbst. An anderer Stelle hat er nämlich mit direktem Bezug auf seine eigene Risikofaktoren-Studie geschrieben: 

I don’t consider this“ – gemeint ist die Temperatur-Hypothese – „particularly compelling due to the expectation of a type I statistical error: when you test enough hypotheses, you expect to have a few to be significant by chance alone even if there is no true effect of the factor.“ (Hervorh. MP)

Kurz gesagt: Es ist ihm klar, dass das ein statistisches Zufallsergebnis gewesen sein kann.

Derartige Zufallsergebnisse sind für die Tonne, wenn man sie nicht überprüft.

Überprüft wurde die Temperatur-Hypothese unseres Wissens nie.

Unseres Erachtens ist sie auch längst widerlegt durch die Vergleichsstudie mit adjuvanshaltigen und adjuvansfreien Impfstoffen (2007). Adjuvanshaltige Impfstoffe verursachen eine dauerhafte und starke Entzündung im Gewebe, und daraus entsteht bei manchen Katzen schließlich ein Tumor. Nicht die Temperatur macht den Unterschied, sondern die Art des Impfstoffs. 


(*) Es ist eine Binse, dass man Mittel (Impfstoffe, Lokalanästhetika usw.) nicht kühlschrankkalt injizieren soll. Das steht i. d. R. im Beipackzettel. Je kälter, desto größer die Gewebsirritation und desto intensiver der Schmerz an der Injektionsstelle.

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