Buchempfehlung: „Dirty little secret. Die Akte Aluminium“

„Keine Ratt‘ tät‘ sich ein Rattengift erfinden“, sagte einmal der Kabarettist Mathias Richling. Er hatte dabei Atombomben, Plutonium und dergleichen im Sinn.

Beispiele für menschengemachte Menschheitsbedrohungen gibt es reichlich. Aluminium könnte dazugehören, wie Bert Ehgartner in seinem neuen Buch „Dirty little secret. Die Akte Aluminium“ ausführt. Es ist das häufigste Metall in der Erdkruste, in der Biologie kommt es jedoch erst vor, seit der Mensch es unter irrsinnigem Energieaufwand aus Bauxit gewinnt, zu Folien, Kochgeschirr, Joghurtbecherdeckeln und Adjuvantien (Wirkverstärker) für Impfstoffe verarbeitet, in Kosmetika, Arzneimitteln und Medizinprodukten einsetzt, usw. Es ist nachweislich giftig, unter anderem für Nervenzellen. In der Erde belassen, richtet es keinen Schaden an.

Die Diskussion über die Risiken von Aluminium ist nicht neu. Viele halten sie für erledigt, vor allem diejenigen, die an der Herstellung und den Anwendungen dieses so schön silberfarbenen Metalls direkt oder indirekt verdienen. Die Öffentlichkeit und der einzelne Verbraucher stehen vor dem Dilemma, dass es zu Aluminium höchst unterschiedliche Expertenmeinungen gibt. Wem soll man glauben? Ist es doch harmlos, und sind die Aluminiumkritiker, die Ehgartner anführt, bloß Alarmisten, Sonderlinge, Verschwörungsgläubige?

Und: Würden Regierungen, Behörden, Gesundheitsexperten es denn zulassen, dass ein gefährlicher Stoff zigtonnenweise in die Umwelt gebracht wird? Leider ja. Beispiel: Die Risiken der Atomkraft sind hinreichend belegt, trotzdem wird sie in vielen Ländern weiter ausgebaut. Ein weniger bekanntes Beispiel: Tetraethylblei. Die giftige Bleiverbindung wurde als Antiklopfmittel im Benzin ab den 20er Jahren bis weit in die 80er Jahre aus den Autos in die Luft geblasen. Die US-Zeitschrift „The Nation“ belegte im Jahr 2000, wie Industrie, gekaufte Wissenschaftler und Behörden die Schädlichkeit jahrzehntelang leugneten, damit die Hersteller ihr Geschäft machen konnten.(*) 

Folgt man Ehgartner, haben wir es beim Aluminium ebenfalls mit einer schleichenden und anhaltenden Massenvergiftung zu tun, ermöglicht durch Ignoranz, Untätigkeit und Korruption in Politik, Verwaltung und Wissenschaft.

In seinem Buch beschreibt er, wie Menschen schon beim Bauxit-Abbau geschädigt werden, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Aber nicht nur dort, siehe die – inzwischen weitgehend vergessene – „rote Flut“ in Kolontar (Ungarn) 2010. Es ist dem Autor anzurechnen, dass er diesen Aspekt der Aluminiumwirtschaft ausführlich behandelt. Indem wir unser Vesperbrot in Alufolie einwickeln, nehmen wir Krankheit, Tod und massive Umweltzerstörung in Guinea, Brasilien, Indien usw. in Kauf.

Verzichten wir auf Aluminiumprodukte, erweisen wir aber vielleicht auch uns selbst einen Gefallen. Im Kapitel „Aluminium und Gesundheit“ trägt Ehgartner zusammen, welche Gesundheitsschäden nachweislich oder mutmaßlich mit dem Stoff in Verbindung stehen: Aluminium und Demenz/Alzheimer, Aluminium und Brustkrebs, Aluminium und (chronische) Impfnebenwirkungen. (Impfsarkome bei Haustieren durch adjuvanshaltige Impfstoffe werden allerdings nicht thematisiert, dabei hätten sie in seinen Ausführungen über das „schmutzige kleine Geheimnis“ der Immunologie durchaus Erwähnung verdient.)

Der Autor verdeutlicht, wie groß der Bedarf an Forschung über die Aluminiumrisiken ist und warum Wissenschaftler, die die Verbreitung und Anwendung dieses Stoffes für ein gefährliches Massenexperiment halten, ein dickes Fell und Durchhaltevermögen haben müssen. In der Medizin macht Karriere, wer nach Alzheimer-Genen sucht oder mit Alzheimer-Impfungen experimentiert. Umweltschadstoffe sind nicht sexy, schon weil man ihnen nicht mit lukrativen neuen Medikamenten beikommt, sondern sie aus Luft, Wasser, Nahrung usw. beseitigen müsste. Das ist unter Profitaspekten uninteressant.

Sehr nützlich ist das abschließende Kapitel, in dem aufgezählt ist, wo überall Aluminium enthalten ist und wie man es vermeiden kann. Die eine oder andere Leserin wird vermutlich schon vor Ende der Lektüre zur Lupe greifen, um das Kleingedruckte auf dem Deostift oder der Sprühdose zu entziffern, und Joghurt künftig lieber im Glas kaufen als im Kunststoffbecher mit Alu-Deckel.

Sicherlich ist einiges von dem, was Ehgartner vorbringt, umstritten. Anderes ist jedoch gut belegt, beispielsweise Demenz durch Aluminium in Medizinprodukten für die Nierendialyse. Auch wenn sich nicht jeder Alarm als begründet erweist: „To err on the side of caution“, lieber zu viel als zu wenig Vorsicht, mit diesem Grundsatz fährt man stets besser.

Bert Ehgartner: Dirty little secret. Die Akte Aluminium. Ennsthaler Verlag, Steyr 2012, 293 Seiten, 24,90 Euro
 
PS: In seinem Blog http://ehgartner.blogspot.de/ berichtet der Autor aktuell über eine Studie italienischer Mediziner, die im Ferritin (= Proteinkomplex zur Eisenspeicherung) von Alzheimer-Patienten einen überraschenden Fund gemacht haben: Aluminium. Im Blog finden sich Buchauszüge und weitere Beiträge zum Thema sowie eine Petition für ein Verbot giftiger Aluminiumverbindungen in allen Lebensbereichen. 

PPS 2016: Im International Journal of Cancer ist 2016 eine Studie von Genfer Wissenschaftlern erschienen, die die Warnungen der Kritiker unterstützt: „Aluminiumchlorid fördert Tumorentstehung und Metastasen in normalen Epithelzellen aus Mäusebrustdrüsen“ (Übers. MP). 

Die „Beobachtungen weisen darauf hin, dass Aluminiumsalze Brustkrebs auslösen können“ (Übers. MP). Laut Presseberichten meinen die Forscher, dass Aluminium ähnlich zu Fall kommen könnte wie Asbest – das ja auch jahrzehntelang abertonnenweise in die Umwelt gebracht wurde. 

Studie im Volltext (englisch)
 
(*) http://www.thenation.com/article/secret-history-lead
http://www.monbiot.com/2013/01/07/the-grime-behind-the-crime/

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