Aus vier mach sechs: Lepto 4 und Lepto 6

In Deutschland gibt es, wie hier berichtet, seit 2013 einen Vierfach-Impfstoff gegen Leptospirose. 

In der Schweiz wurde etwa zur gleichen Zeit ein Lepto-Impfstoff zugelassen, der als Lepto 6 vermarktet wird. 

Beide Impfstoffe sind von Intervet/MSD Tiergesundheit.

Und das wirft Fragen(*) auf: 

Sind es zwei verschiedene Produkte oder nicht?

Warum gibt es in Deutschland keinen Sechsfach-Impfstoff gegen Lepto?

Wird dem deutschen Markt das womöglich bessere Produkt vorenthalten?


***



Sehen wir in die Beipackzettel des deutschen und den Schweizer Produkts. 

Lepto 6 enthält dieselben Lepto-Serogruppen, bzw. -Serovaren und Impfbakterienstämme wie Lepto 4. 

Unterschiedlich sind nur die Angaben zur Menge der enthaltenen Antigene in Elisa-Einheiten. Da es sich aber jeweils um Mindestmengen handelt (Zeichen für größer/gleich), kann es sehr gut sein, dass sich die Produkte in der Antigenmenge gar nicht unterscheiden.


*** 


Dass es sich wohl um dasselbe Produkt handelt, geht auch aus einem Forschungsprojekt der Klinik für Kleintiermedizin an der Uni Zürich hervor. Untersucht werden sollen die Verträglichkeit und das „serologische Ansprechen“ (= Antikörperantwort) von Hunden im Feld (= Hunde aus Privathaltung) nach Impfung mit dem Sechsfach-Produkt. Laut Projektbeschreibung geht es um einen in Europa zugelassenen Impfstoff, „der vier Leptospiren-Serogruppen abdeckt (Nobivac Lepto 6)“. Nun, Nobivac Lepto 6 ist „in Europa“ nicht zugelassen, zugelassen ist nur Nobivac Lepto 4. Das Projekt gilt offenkundig dem Impfstoff, der in Deutschland und anderswo Lepto 4 heißt, in der Schweiz aber Lepto 6. 

Nobivac Lepto 4 ist seit 2012 von der europäischen Arzneibehörde Ema zugelassen. 

Das bedeutet, dass er in allen Ema-Mitgliedsstaaten zugelassen ist, besondere nationale Zulassungsverfahren sind bei Ema-Zulassung nicht nötig. 

Die Schweiz ist kein Mitglied der Ema, also brauchte das Produkt in der Schweiz die nationale Zulassung. 

Und dabei ist offenbar aus Lepto 4 – wie auch immer – Lepto 6 geworden. 


***

Warum wird ein Produkt in einem Land als Sechsfachimpfstoff vermarktet, im Nachbarland aber als Vierfachimpfstoff?

Mysteriös ist das schon. 

Im deutschen Beipackzettel steht, ganz am Ende und ziemlich bescheiden:

„In-vitro- und In-vivo-Daten von Nicht-Zieltierarten weisen auf eine Kreuzimmunität gegen Leptospira interrogans Serogruppe Icterohaemorrhagiae Serovar  icterohaemorrhagiae und Leptospira kirschneri Serogruppe Grippotyphosa Serovar grippotyphosa hin.“

„Nicht-Zieltierarten“ bedeutet: Bei Hunden wurde diese Kreuzimmunität gegen zwei weitere Lepto-Arten gar nicht getestet. Dass der Impfstoff eine gewisse Immunität nicht nur gegen vier, sondern gegen sechs Lepto-Arten erzeugen könnte, wurde im Reagenzglas und an Hamstern untersucht.

Der Schweizer Beipackzettel klingt hierzu viel forscher:

„Nobivac Lepto 6 erzeugt einen Schutz gegen vier Serogruppen (6 Serovaren) von Leptospira interrogans und kirschneri“ (Hervorh. MP). 


***


Aber es gibt noch mehr bemerkenswerte Unterschiede zwischen Lepto 6 und Lepto 4. 

Im Schweizer Beipackzettel heißt es: 

„Mit Nobivac Lepto 6 geimpfte Tiere werden nicht zu Trägern dieser Serogruppen und dadurch auch nicht zu renalen Ausscheidern“ (Hervorh. MP). 

Der deutsche, bzw. Ema-Beipackzettel ist viel zurückhaltender

Bei drei der vier Lepto-Typen heißt es, die Impfung führe zur Verringerung der Leptospirämie ((Leptospiren im Blut)) und der Leptospirurie ((Leptospiren in Nieren und Urin)), beim vierten Lepto-Typ ist nur von Verringerung der Leptospirämie die Rede. 

Also nix von wegen „Hunde werden nicht zu Trägern“ und auch nix von wegen „Hunde werden nicht zu renalen Ausscheidern“. 


*** 


Wie könnte man sich die seltsamen Unterschiede zwischen Lepto 4 in Ema-Ländern und Lepto 6 in der Schweiz erklären?

Hat der Hersteller erst nach der Ema-Zulassung gemerkt, dass sein Produkt nicht nur gegen vier, sondern gegen sechs Lepto-Arten schützt? Und dass er die Trägerschaft und Ausscheidung nicht nur „verringert“, sondern verhindert?

Oder hat die Schweizer Zulassungsbehörde einfach nur weniger streng geprüft und dem Hersteller alles genehmigt, was er gern in den Beipackzettel schreiben wollte?

Wir wissen es nicht. Aber unser Glaube an die Aufrichtigkeit von pharmazeutischen Unternehmen ist noch schwächer als unser Glaube an den Osterhasen. 


(*) Fragen, die uns auch von Lesern/innen gestellt wurden. Sorry, dass es so lange gedauert hat. 


PS: Lepto-Impfstoffe werden in Rettungshunde-Staffeln u. ä. stark propagiert. Und zwar mit dem Argument, bei Rettungseinsätzen in südlichen/tropischen Ländern sei der Lepto-Schutz besonders wichtig. Die Sache hat nur leider den Haken, dass es dort noch ganz andere Lepto-Arten gibt als in Mitteleuropa. Schutz gegen diese südlichen/tropischen Lepto-Arten wäre gar nicht gegeben. 


PPS: Soll man Hunde gegen Lepto impfen lassen oder nicht? Unsere Meinung: Wenn’s der Hund verträgt, kann man’s ja machen lassen. Man sollte sich nur nicht auf den Schutz verlassen. 



Schreiben Sie einen Kommentar

Sie haben hier die Möglichkeit, auch anonym einen Kommentar zu schreiben. Die Felder "Name" und "Email" sind optional. Eine eventuell angegebene Emailadresse wird nicht veröffentlicht.

Kommentare werden erst nach Prüfung freigeschaltet. Es werden KEINE IP-Adressen der Nutzer gespeichert. Bitte beachten Sie aber: Wenn Sie kommentieren, werden neben Ihrem Kommentar auch Angaben zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommentars gespeichert, und wenn Sie nicht anonym posten, auch die Emailadresse und der von Ihnen gewählte Name.