Das Marketing von Krankheiten ist heutzutage ganz normaler Bestandteil des Medizinbusiness, in der Human- wie in der Veterinärmedizin.
In ihrem international stark beachteten Buch „Selling Sickness“ (2005) haben die Fachjournalisten Ray Moynihan und Alan Cassels gezeigt, wie die „Krankheitsindustrie“ ihren Absatz fördert, indem sie Marketing für Krankheiten macht, gern getarnt als „Disease-Awareness“-Aktionen, oder indem sie gar Krankheiten erfindet. Beispiel: Frauen wurde eingetrichtert, dass sie spätestens ab Mitte 40 Hormonmangelwesen sind und deshalb Pillen nehmen müssen.
Im Veterinärbusiness weist das disease mongering vergleichsweise bescheidene Dimensionen auf, was schlicht daran liegt, dass der Markt relativ klein ist. Auffällig ist aber, wie stark die Veterinärkrankheitsverkäufer auf Infektionen fokussieren.
Obwohl, sie werden es sicherlich noch schaffen, zum Beispiel Psychopillen für ängstliche Hunde auch hierzulande populär zu machen.
Die US-Tierklinikkette Banfield (*) zählt auf diesem Feld zu den umtriebigsten Akteuren. Das zeigt ihr aktueller Bericht über den Gesundheitsstatus der Haustiere. Darin werden vor allem zwei Infektionskrankheiten vermarktet: Borreliose und FIV („Katzenaids“).
„48 Prozent mehr Katzenaids“
Die Häufigkeit von FIV soll in den vergangenen fünf Jahren um satte 48 Prozent gestiegen sein. Das klingt bedrohlich und wird von den Medien gern aufgegriffen.
In absoluten Zahlen hört es sich nicht so dramatisch an: 2009 waren laut Banfield 23 von 10.000 Katzen FIV-positiv, 2013 waren es 33 von 10.000.
Die Banfield-Zahlen sind mehr als fragwürdig. In den USA gibt es – leider – einen FIV-Impfstoff. Geimpfte Katzen sind durch die üblichen Tests von infizierten Katzen nicht zu unterscheiden. Da wäre es gut zu wissen, ob unter den positiven Katzen auch geimpfte waren. Oder hat Banfield einfach nur häufiger auf FIV getestet? Der Report schweigt sich dazu aus. Die 48 Prozent kann man daher in der Pfeife rauchen.
Apropos: Im Report wird eingeräumt, dass die FIV-Impfung nicht allgemein empfohlen werde. Im FIV-Merkblatt auf der Banfield-Website aber wird den Tierhaltern/innen ans Herz gelegt, mit dem behandelnden Tierarzt über die Impfung zu reden.
„Immer mehr Borreliose“
Bei den Hunden sorgen sich die Banfield-Veterinäre wegen Borreliose. Die Häufigkeit von Borrelien-Infektionen soll in den letzten fünf Jahren um 21 Prozent zugenommen haben, von 53 Fällen pro 10.000 Hunde auf 64 Fälle pro 10.000.
Aber: Infektion mit Borrelien und Erkrankung durch Borrelien sind nicht dasselbe, das gilt für Hunde genauso wie für Menschen. Nur wenige borrelien-infizierte Menschen und noch weniger borrelien-infizierte Hunde entwickeln Krankheitssymptome. Bei den Hunden sind es ganze ein bis zwei Prozent. Manche Wissenschaftler sagen sogar, dass Borreliose beim Hund überhaupt nicht sauber nachgewiesen sei.
Was hat Banfield also festgestellt, mehr Infektionen oder mehr Erkrankungen? Diese Frage bleibt völlig offen.
Es ist sicherlich ein reiner Zufall, dass ein Borreliose-Impfstoffhersteller seit Monaten besonders massive Werbung macht (zum Beispiel im Newsletter des US-Tierarztverbands AVMA). Und dass dasselbe Unternehmen den FIV-Impfstoff herstellt.
(*) Die Tierklinikkette gehört übrigens seit 2007 dem internationalen Tierfutter-Konzern Mars Inc. Eine Wertschöpfungskette von geradezu zwingender Logik.