Arme Kaninchen




Impfstoffe gegen Myxo und RHD, Viruskrankheiten der Kaninchen, gibt es etliche, gut sind sie alle nicht. 

Sie besitzen keine verlässliche Wirksamkeit, durchgeimpfte Tiere erkranken, und nebenwirkungsträchtig sind die Produkte nach Berichten von Tierhaltern auch. 

Dazu kommt, dass industrieunabhängige Forschung zu Wirksamkeit, Verträglichkeit und Dauer des Impfschutzes, soweit ersichtlich, nicht oder so gut wie nicht existiert

Nachgeimpft werden soll halbjährlich (Myxo) oder jährlich (RHD). Studien, die den Nutzen dieser häufigen Nachimpfungen belegen, sind in der Fachliteratur nicht zu finden. 

Es interessiert die Veterinärforschung wohl nicht, weil die Produkte sowieso in erster Linie für die Fleischkaninchenzucht mit ihren grausigen Zuständen entwickelt wurden. Da werden Kaninchen nicht alt. 

Der Markt der Hobbykaninchen ist dagegen klein und wirtschaftlich nicht sehr interessant. Obwohl da viel höhere Impfpreise kassiert werden als bei den Fleischkaninchenzüchtern. 

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Als einziger kleiner Fortschritt kann der Myxo-RHD-Impfstoff von Intervet/MSD gelten. 

Anders als bei den anderen RHD-Impfstoffen wird hier das Impfantigen gegen RHD nicht aus den Lebern künstlich infizierter Tiere gewonnen. Vielmehr wird der RHD-Schutz durch das gentechnisch veränderte Myxo-Impfvirus im Impfling erzeugt. Er ist also unter Tierschutzaspekten das bessere Produkt. Ob er besser wirksam und besser oder schlechter verträglich ist als die Konkurrenzprodukte, lässt sich mangels kritischer Studien nicht sagen.

Bei Kaninchenhaltern/innen scheint diese Kombi ziemlich populär zu sein, auch weil sie als Einjahresprodukt vermarktet wird. Das ist natürlich für die Hersteller der Halbjahresprodukte nicht angenehm. 

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In Frankreich, Spanien und Italien breitet sich seit einigen Jahren eine neue Variante des RHD-Virus aus. 

RHDV-2, das inzwischen auch in Deutschland gefunden wurde, ist laut Friedrich-Löffler-Institut weniger virulent als die anderen RHD-Virustypen, aber es soll auch Jungtiere befallen. Die anderen Varianten haben junge Kaninchen unter acht Wochen verschont. 

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Seit diesem Frühjahr macht ein herkömmlicher RHD-Einzelimpfstoff als Impfstoff gegen das neue RHDV-2 unter Kaninchenhaltern von sich reden

Im Beipackzettel steht, der Impfstoff habe in einer Studie an 14 Wochen alten Kaninchen nach zweimaliger Gabe vor dem letalen (tödlichen) Ausgang einer RHDV-2-Infektion geschützt, „jedoch nicht vor vorübergehendem Fieber und selten Inappetenz“. Gegen die Infektion feit also dieser Impfstoff nicht, was nicht weiter überrascht.  

Manche Kaninchenhalter meinen nun, dass das ein neues Produkt sei. Das ist aber nicht der Fall. Er enthält RHD, nicht RHDV-2. 

Der Impfstoff, hergestellt mit Viren aus der Leber von RHD-infizierten Kaninchen, ist laut Fachinformation (Stand Februar 2015) seit 2004 zugelassen, 2009 wurde die Zulassung verlängert. 

Neu ist hier nur der Text im Beipackzettel. Er wurde um einen Passus über die RHDV-2-Studie erweitert.  

Publiziert wurde die Belastungsstudie unseres Wissens nicht. Und leider ist auch nicht zu erwarten, dass die Ergebnisse herstellerunabhängig überprüft werden.

Man kann also glauben oder nicht glauben, dass dieser Einzelimpfstoff Kaninchen vor RHDV-2 schützt, neutrale Daten dazu gibt es nicht. 

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Würden wir diesen Impfstoff geben lassen? Nein.  

Eine herstellereigene Studie mit einem älteren Impfstoff ist für uns kein hinreichender Beleg für Impfschutz gegen den neuen Virustyp RHDV-2. 

Wenn ein Hersteller in seinem Labor (oder einem Auftragslabor für Tierversuche) ganz tolle Ergebnisse hat, heißt das noch lange nicht, dass das im richtigen Leben wiederholbar ist.  

Impfstoffe gegen Caliciviren (die Virenfamilie, zu der RHD gehört) versagen immer wieder, unter anderem weil der – ohnehin nur partielle – Schutz virustyp-spezifisch ist. Siehe etwa die nicht sonderlich wirksamen Calici-Impfstoffe für Katzen (Katzenschnupfen). 

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Außerdem: Der RHD-Einzelimpfstoff mit dem neuen Beipackzettel enthält pro Impfdosis (0,5 ml) sagenhafte 6,0 bis 7,5 mg Aluminium-Adjuvans (Wirkverstärker). 

Und das ist happig.  

Zum Vergleich: Ein Hepatitis-B-Impfstoff für Menschen enthält 0,5 mg Aluminium-Adjuvans. Der Tollwutimpfstoff Rabisin für Katzen und Hunde enthält 1,7 mg. Eurican LT (Tollwut-Lepto für Hunde) enthält 0,6 mg.

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Arme Kaninchen. Sie verdienen bessere Impfstoffe. 

Nachtrag 2016: 

Die Stiko Vet ist der Meinung, dass man gegen RHDV-2 konventionelle RHD-Impfstoffe einsetzen solle. Der Stiko hält die (nicht publizierte) Laborstudie zum o.g. Impfstoff für überzeugend. S. a. hier. 


©haustiereimpfenmitverstand.blogspot.de/










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