Immer wieder faszinierend: Beipackzettel

Ergänzung 2017: Inzwischen ist die Tollwutkomponente in den Versican-Plus-Produkten für drei Jahre zugelassen. Das heißt, ein Hund, der diese Kombi im Alter von mindestens 12 Wochen erhält, hat Tollwutschutz für drei Jahre. Wir würden jedoch gegen Tollwut einzeln impfen lassen, also nicht mit einer großen Kombi. (Und auch nicht schon mit 12 Wochen, es sei denn, der Welpe braucht eine gültige Tollwutimpfung für den Grenzübertritt.)

Beipackzettel von Haustierimpfstoffen sind eine ziemlich trockene Lektüre, aber manchmal sind sie richtig interessant. 
   

Zum Beispiel die Packungsbeilagen der Hundeimpfstoffe Versican Plus DHPPi/L4 und Versican Plus DHPPi/L4R. 

Das erste Produkt ist eine Kombi Staupe-Hepatitis-Parvo-Parainfluenza plus Lepto-Vierfachimpfstoff. 

Das zweite Produkt ist dieselbe Kombi wie oben, zuzüglich Tollwutimpfstoff.

Die Komponenten DHPPi/L4 sind ausweislich der Packungsbeilagen in den beiden Produkten völlig identisch. 

Sie unterscheiden sich nur durch das R, die Tollwut-Komponente, die im einen Produkt drin ist, im anderen nicht. 

***


Nicht identisch sind aber die Angaben zur „Wiederholungsimpfung“.



Versican Plus DHPPi/L4: 

„Eine Einzeldosis Versican Plus DHPPi/L4 ist alle drei Jahre zu verabreichen.“

(Wobei man aber jährlich zum Nachimpfen mit der kleineren Kombi Versican Plus Pi/L4 antreten soll.)



Versican Plus DHPPi/L4R:

„Eine Einzeldosis Versican Plus DHPPi/L4R ist jährlich zu verabreichen.“

(Hervorh. MP)

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Warum tun Hersteller so etwas?

Wahrscheinlich zielt ihr Marketing auf zwei Typen von Tierärzten ab:

– auf die, die auf die jährliche Komplett-Impferei einschließlich Tollwut ums Verrecken nicht verzichten wollen,

– und auf die, die sich bei der Kundschaft einen Vorteil versprechen, wenn sie gegen SHP „nur“ alle drei Jahre impfen. 

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Wie schon häufiger angemerkt: Die Hersteller können offenbar machen, was sie wollen, niemand schreitet ein, Verbraucherschutz: Fehlanzeige.

Die Tierhalter/innen werden über den Tisch gezogen, dass es eine Lust hat. 

Und Tiere werden krankgeimpft.  

PS: Dass die dreijährliche Nachimpferei gegen SHP genauso unbegründet ist wie die jährliche, dürfte unseren Lesern/innen bekannt sein. 

Dito, was gegen solche großen Kombis spricht.  

Und erst recht, dass man Tierarztpraxen meiden sollte, in denen jährlich gegen Tollwut geimpft wird mit „Einjahres“-Impfstoffen


PPS: Die Versican-Plus-Produkte enthalten (im Flüssig-Anteil der Kombis) als Wirkverstärker bis zu 2,2 mg Aluminiumhydroxid. Der andere Vierfach-Leptoimpfstoff am deutschen Markt, Nobivac Lepto 4, enthält kein Adjuvans.  


PPPS: Versican Plus DHPPi usw. ist nicht zu verwechseln mit dem anderen Versican-Produkt, das hierzulande zugelassen ist, aber kein „Plus“ im Namen hat. 



Und noch ein Postscriptum: 

In einer anonymen Zuschrift versucht ein Leser (eine Leserin?), Versican Plus DHPPi/L4R zu verteidigen:

„Es gibt diese zwei unterschiedlichen Impfstoffe (einmal mit, einmal ohne Tollwut), damit der Tierarzt selbst entscheiden kann, ob er die Tollwutimpfung in sein Impfschema aufnimmt oder nicht (außerdem kann so auch mit einem anderen Tollwutimpfstoff, der bereits auf 3 Jahre zugelassen ist, immunisiert werden).“ (Hervorh. MP)


Das „bereits“ des Jahres. 


Tollwutimpfstoffe mit Zulassung für drei oder sogar vier Jahre (Katzen) gibt es in Deutschland seit Anfang 2006 (in den USA schon viel länger). 


Versican Plus DHPPi/L4R wurde im Jahr 2014 zugelassen. Als Einjahresprodukt. Ein Hund, der damit geimpft wird, hat nur ein Jahr lang eine gültige Tollwutimpfung. 


Warum bringt ein Hersteller im Jahr 2014 eine Kombi mit einem Einjahres-Tollwutimpfstoff auf den Markt? (Und zwar ein Hersteller, der unseres Wissens einen Dreijahres-Tollwutimpfstoff für Hunde in seinem Sortiment hat.)


Aus unserer Sicht gibt es nur eine Erklärung: weil er Tierärzten, die gern jährlich gegen Tollwut impfen, das passende Produkt bieten will. 


Und: Der Einjahres-Tollwutimpfstoff, der in Versican Plus enthalten ist, wird von Zoetis (früher Pfizer) auch als Zweijahres-Einzelimpfstoff verkauft, und zwar unter dem Namen Vanguard R. (Schema: eine Impfung im Welpenalter, eine zweite ein Jahr darauf, danach Zweijahresabstände). Vanguard enthält denselben Impfvirusstamm in derselben Menge wie Versican Plus, aber bei Versican Plus gilt die Tollwutimpfung nur für ein Jahr


Update: Vanguard R gibt es nicht mehr, der Zoetis-Tollwutimpfstoff heißt jetzt Versiguard R (bei Hunden für drei, bei Katzen für zwei Jahre zugelassen).



Weiter heißt es in der Zuschrift zu unserem zweiten Postscriptum (PPS): 


„Aluminiumhydroxid als Adjuvans befindet sich übrigens auch in den meisten Humanimpfstoffen.“


In den meisten? In vielen, aber nicht in den meisten. Und dabei handelt es sich nicht um Impfstoffe, die jährlich gegeben werden sollen.


Weiter im Text: 


„Aufgrund des Adjuvans hat Versican Plus wenigstens den ‚Schutz“ vor Leptospirose bekommen (andere L4-Impfstoffe haben nur eine ‚Reduktion‘ der Leptospirenerkrankungen und Leptospirenausscheidung, das heißt der Hund kann immer noch an Leptospirose erkranken oder andere Hunde und sogar Menschen damit anstecken).“


Das stimmt so nicht. Im Beipackzettel kommt das Wort „Schutz‘ ohnehin nicht vor, vielmehr steht dort zu lesen: 


– für die Lepto-Arten canicola und icterohaemorrhagiae: „Prävention klinischer Symptome und der Ausscheidung der Erreger“ (nix von Prävention der Infektion)


– für die Lepto-Art grippotyphosa: „Prävention klinischer Symptome und zur Reduktion der Infektion und der Ausscheidung des Erregers“ (also nur Reduktion der Infektion)


Nur für die Lepto-Art bratislava steht im Beipackzettel was von Prävention der Infektion, wird somit versprochen, dass es gar nicht erst zu einer Infektion kommt („Prävention klinischer Symptome, der Infektion und der Ausscheidung des Erregers“). 


„Schutz“ im Sinne der Infektionsverhinderung mithin nur für 1 Lepto-Art von 4


Das unterscheidet sich unseres Erachtens nicht großartig von den Versprechungen anderer Hersteller. 


Und: Ob das im wirklichen Leben überhaupt funktioniert, weiß man sowieso nicht, da es unseres Wissens keine herstellerunabhängige Untersuchung dazu gibt.


Ach ja, und noch was: Was die so oft heraufbeschworene Lepto-Gefahr für Menschen durch infizierte Hunde betrifft, so empfehlen wir dies hier und dies

***


Zum Abschluss noch einmal unser Lieblingszitat: 


Es ist schwer, einem Menschen etwas begreiflich zu machen, wenn sein Einkommen davon abhängt, es nicht zu verstehen. 




©haustiereimpfenmitverstand.blogspot.de/








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