Tollwutimpfung: Ein Sieg der Vernunft (in den USA)

Der Verband der Veterinäre im öffentlichen Gesundheitsdienst der US-Bundesstaaten (NASPHV) gibt in seinem neuen „Compendium of Animal Rabies Prevention and Control“ die amtliche Empfehlung, Haustiere unter Tollwutverdacht, deren Impfung abgelaufen ist, vernünftiger zu behandeln als bisher


Sie sollen nachgeimpft und unter Beobachtung (des Besitzers) gehalten werden. 

Sie sollen also genauso behandelt werden wie Tiere mit gültiger Impfung

Voraussetzung: Ihre (abgelaufene) Impfung ist dokumentiert (durch Impfpass oder sonstigen Nachweis). 



Bisher wurde mit Haustieren bei abgelaufener Tollwutimpfung in der Regel so verfahren wie mit wie niemals geimpften: Nach Kontakt mit einem tollwutverdächtigen Wildtier wurden sie meist euthanasiert. Wenn sie viel Glück hatten, wurden sie sechs Monate lang in strenger Quarantäne gehalten (was Tausende Dollar kostet). 

Die neue Empfehlung der NASPHV geht zurück auf eine äußert verdienstvolle Studie von Michael C. Moore und Kollegen, über die wir hier berichtet haben

Sie zeigt, dass Katzen und Hunde mit abgelaufener Tollwutimpfung auf eine Nachimpfung mindestens genauso gut ansprechen wie regelmäßig nachgeimpfte. 

Für Moore war das keine Überraschung. Impfschutz, sagte er, „sinkt nicht plötzlich an einem gesetzten Datum auf Null, egal ob bei Mensch oder Tier“ (Übers. MP). 

Nach seinen Angaben erhält das Tollwut-Labor an der Kansas State University jeden Monat mehrere Anrufe, bei denen es um Tollwutverdacht bei Haustieren mit abgelaufener Impfung geht. 

Eine weitere Neuerung ist die Verkürzung der Quarantäne für niemals geimpfte Haustiere unter Tollwutverdacht. Bisher wurden sie entweder gekillt oder sechs Monate in Quarantäne gesperrt. Die Quarantäne wird nun auf vier Monate verkürzt. Nach Angaben der NASPHV beträgt die Inkubationszeit für Tollwut im Mittel sechs Wochen. Inkubationszeiten von sechs Monaten oder mehr seien zwar in der Fachliteratur beschrieben worden, seien aber außerordentlich selten. 

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Diese neuen Regelungen sind äußerst bemerkenswert, denn in den USA wird mit Tollwut wahrlich nicht leichtsinnig umgegangen. 

Aus gutem Grund, denn Wildtiertollwut ist in vielen US-Regionen verbreitet: Waschbären, Stinktiere, Füchse, Kojoten usw., und Fledermäuse sowieso. 

Es liegt auf der Hand, dass die EU dem Beispiel der USA folgen könnte. Wildtiertollwut ist hier ohnehin fast gänzlich ausgerottet. Importfälle sind ausgesprochen selten, und auch Fledermaustollwut tritt nur sehr vereinzelt auf. 

Dass die dauernde Tollwut-Nachimpferei der Haustiere in Europa inzwischen fragwürdig ist, hat ja sogar ein führender deutscher Veterinär schon öffentlich thematisiert.*

Käme es zum Ernstfall – 

Haustier mit abgelaufener Impfung trifft auf tollwutinfiziertes Tier, etwa einen illegal importierten Hund – 

könnte man ohne weiteres nach US-Vorbild vorgehen: nachimpfen und beobachten. 

Aber wahrscheinlich wird auch das erst mit jahrzehntelanger Verspätung hier eingeführt. 

Genauso wie die Tollwutimpfung mit mehreren Jahren Gültigkeit. Die gab es in den USA zumindest in einigen Bundesstaaten schon seit den 1980er (!) Jahren. Bei uns hat es bis 2005 gedauert.


(*) Professor Uwe Truyen, Uni Leipzig, ist seit dem 1. Dezember 2015 Vorsitzender der neuen Stiko Vet, die nunmehr beim staatlichen Friedrich-Löffler-Institut angesiedelt ist (und nicht mehr beim BPT, einem Interessenverband von Tierärzten). Da hätte er sicherlich die Möglichkeit, sich für vernünftigere Regelungen einzusetzen. 



©haustiereimpfenmitverstand.blogspot.de/




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