Tiermedizin als Konzerngeschäft: Da ist Musik drin


Was kommt auf unsere Haustiere und auf uns zu, wenn auch in Deutschland Investoren Tierarztpraxen und -kliniken aufkaufen?

Nichts Gutes. Das zeigt die Entwicklung von Tierklinikkonzernen in anderen Ländern. 

Ein gewisser Dr. Michael Dicks, Chef der Wirtschaftsabteilung beim US-Tierärzteverband AVMA, hat in schöner Offenheit verraten, warum Kleintiermedizin für Investoren so attraktiv ist. 

Da ist nämlich noch richtig viel Wachstum drin. 

Aber nicht, weil sich die Leute immer mehr Tiere anschaffen, sondern weil man pro Patient viel mehr rausholen kann als heute üblich.

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Der Laborkonzern Idexx (inzwischen auch hierzulande vertreten) hat vorgerechnet, dass ein Hund über eine Lebensspanne von zwölf Jahren 17.700 US-Dollar Umsatz bringen kann. 

Und zwar, wenn alles an ihm gemacht wird, was der Fachverband American Animal Hospital Association in diversen Richtlinien o. ä. als „standard of care“, also Standards* in Diagnostik, Therapie und Prävention festlegt. 

Derzeit erwirtschaftet die durchschnittliche Tierarztpraxis in den USA laut Idexx nur 3600 US-Dollar pro Hundeleben

Bleiben also viele tausend Dollars, die man mit noch mehr Labortests, Impfungen, Antiparasitika etc. umsetzen könnte. 

In einem Konzern wird das nicht dem Zufall überlassen. Da wird durchregiert. Da haben nicht die Veterinäre, sondern die Betriebswirte das Sagen.

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Dicks ermuntert die unabhängigen Praxisbesitzer, selber auch die Chancen dieser „ideal care“ („Idealversorgung“) zu nutzen. 

Nach dem Motto: Hier geht keiner mehr raus ohne Labor, Röntgen, Ultraschall, Impfung, Flohmittel und „Prescription-Diet“-Sack. 

Die Sache ist allerdings im wirklichen Leben nicht ganz so einfach. Dicks weist selbst darauf hin, dass das Einkommen der US-Haushalte in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken ist, während die Tierarztpreise in derselben Zeit mehr als doppelt so stark gestiegen sind wie die Preise für andere Dienstleistungen und Waren. 

Für das künftige Wohlergehen der Tierärzte und für die Profite der Investoren müssten daher Strategien gefunden werden, um diese Lücke zu schließen, schreibt der AVMA-Ökonom. Welche Strategien das sein könnten, wenn die Leute immer weniger Geld haben, verrät er freilich nicht. 


Es könnte darauf hinauslaufen, dass die Betuchten nach allen Regeln der Kunst ausgenommen werden. Während die Katzen und Hunde der weniger Betuchten wegen der Preise gar nicht mehr zum Tierarzt kommen, auch wenn es dringend nötig wäre, etwa Katzen mit verrotteten Zähnen.  


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Ist es denn verwerflich, Haustieren immer mehr Leistungen angedeihen zu lassen?

Aus dem Bauch heraus würden sicherlich viele meinen, dass Prävention und Diagnostik für Katzen und Hunde immer eine gute Sache sind. 

Aber: Wissenschaftlich belegt ist das nicht.**

In der Humanmedizin werden Überdiagnostik, sinnlose bis schädliche Prävention und Übertherapie schon lange diskutiert. In der Veterinärmedizin ist das unseres Wissens kaum ein Thema. 

Nötig wäre es allerdings. 

Spätestens dann, wenn sich die Konzerne breitmachen



*Standards, die rein zufällig den Interessen von Laborkonzernen, Pharmaindustrie, Futterherstellern usw. dienen. Die mischen natürlich dabei mit. Und ganz uneigennützig bietet der Laborkonzern Idexx Tierärzten ein „Compliance Assessment Tool“, das ihnen am Bildschirm anzeigt, was noch alles am Patienten gemacht werden könnte. Man könnte auch sagen: Wie man jeden Patientenkontakt maximal auslutschen kann, unter gebührender Berücksichtigung von Labortests. 

**Siehe zB Robinson et al. 2016, Investigating preventive-medicine consultations in first-opinion small-animal practice in the United Kingdom using direkt observation
„A greater evidence base is needed to determine whether these consultations, and the various aspects of patient health addressed within them, lead to positive long-term outcomes for the patient.“ (Hervorh. MP; sinngemäß: Es fehlt an Belegen dafür, dass Patienten mit regelmäßigen Check-ups auf lange Sicht gesünder sind als ohne.)


©haustiereimpfenmitverstand.blogspot.de/











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