Lesefutter: Hundeimpfung

Für Leute, die noch lange Texte lesen können, statt nur auf ihrem Smartphone herumzuwischen: die leicht veränderte Fassung eines Artikels für die Hundezeitschrift „SitzPlatzFuß“ (Juni 2018).

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Wogegen Hunde geimpft werden sollten und wie oft, ist heute kein Streitthema mehr – oder doch? Schließlich gibt es seit 2006 die „Leitlinie für die Impfung von Kleintieren“, erarbeitet von der „Ständigen Impfkommission Vet“. Die Leitlinie stellt zwar einen Fortschritt dar, kann aber in wichtigen Details nicht überzeugen. Und sie wird längst nicht von allen Tierärzten befolgt.

Die Leitlinie in Kürze: Hunde im Alter von über einem Jahr sollen alle drei Jahre gegen Staupe, Hepatitis und Parvovirose nachgeimpft werden. Impfungen gegen Leptospirose, Zwingerhusten und Borreliose sollen jährlich wiederholt werden. Gegen Tollwut soll gemäß Herstellervorschrift nachgeimpft werden.

Staupe, Hepatitis, Parvo (SHP)

Das Dreijahresintervall für SHP ist keineswegs so fortschrittlich, wie es erscheinen mag. Es stellt lediglich einen Kompromiss dar zwischen den immunologischen Fakten und den wirtschaftlichen Interessen der Tierärzte. Impfungen bringen die Patienten ins Wartezimmer. Sie besitzen in der Tierarztpraxis einen ökonomischen Stellenwert, der in der Humanmedizin unbekannt ist. Das dürfte der Grund sein, weshalb die Leitlinie von vielen Veterinären ignoriert wird. Manche Tierärzte ergreift nach eigenem Bekunden das Grauen, wenn neue Klienten ihnen die übervollen Impfpässe ihrer Hunde zeigen.

Dauer des Immunschutzes für SHP 

SHP-Impfstoffe sind, egal von welchem Hersteller, immer Viruslebendimpfstoffe. Hunde, die eine Infektion mit Staupe-, Hepatitis- oder Parvoviren überleben, sind für den Rest ihres Lebens dagegen immun. Dasselbe leistet die Impfung, sagt der weltweit renommierte Experte Professor Ronald Schultz. Die Hunde in seiner Familie werden als Welpen ein- oder zweimal gegen SHP geimpft und dann überhaupt nicht mehr.

In der Humanmedizin käme man gar nicht auf die Idee, Viruslebendimpfstoffe jährlich oder alle drei Jahre zu verabreichen. Beispiel: die Masernimpfung. Gegenwärtig weiß die Humanmedizin noch nicht, ob sie lebenslang schützt, weil sie erst Ende der 1970-er Jahre eingeführt wurde. Daten über die gesamte Lebenserwartung fehlen noch, dennoch gehen die Experten von lebenslanger Immunität aus. Die Fachleute haben bei der Einführung der Masernimpfung immunbiologisch plausible Annahmen über die Immunitätsdauer getroffen, deshalb waren und sind Auffrischungen (Booster) für Masern nicht vorgesehen.

Seit einiger Zeit wird für die – möglichst jährliche – Kontrolle des SHP-Schutzes durch Impftitertests geworben. Dabei wird in der Tierarztpraxis mit einem Schnelltest die Konzentration von SHP-Impfantikörpern im Blutserum gemessen. Antikörper (Immunglobuline) sind Eiweißstoffe, die sich nach Infektion oder Impfung bilden und relativ leicht bestimmt werden können. Sie stellen jedoch nur einen Teil der Immunität dar. Genauso wichtig sind die langlebigen B- und T-Gedächtniszellen. Hat ein Hund jemals auf eine SHP-Impfung angesprochen, besitzt er außer Antikörpern auch Immungedächtniszellen. Und: Die Menge der Impfantikörper kann unter die Nachweisschwelle sinken, aber bei Kontakt mit den Erregern treten spezielle B-Zellen, die langlebigen Plasmazellen, auf den Plan und produzieren sehr schnell neue Antikörper.

Ein Antikörpertest ist allenfalls dann sinnvoll, wenn Hundehalter wissen wollen, ob die SHP-Impfung bei ihren Welpen angeschlagen hat. Antikörper, die von der Mutterhündin übertragen wurden, können den Impferfolg mehr oder weniger lange vereiteln, und das ist der Grund, weshalb Welpen mehrmals hintereinander im Alter von acht bis 16 Wochen geimpft werden. Es handelt sich nicht um Booster, der Schutz wird nicht schrittweise aufgebaut, sondern es geht darum, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen.

Die ein- oder mehrmalige SHP-Impfung der Welpen wird hartnäckig als Grundimmunisierung bezeichnet, womit impliziert wird, dass Wiederholungsimpfungen nötig seien. Kinder werden jedoch nicht gegen Masern grundimmunisiert, sondern geimpft. Tropenreisende werden nicht gegen Gelbfieber grundimmunisiert, sondern geimpft. Übrigens nur ein einziges Mal und ganz ohne Impftiterkontrollen. Die Humanmedizin verlässt sich einfach darauf, dass Impfungen bei den allermeisten Individuen klappen. Von Grundimmunisierung wird in der Humanmedizin nur gesprochen, wenn lebenslanger Schutz nicht anzunehmen ist, und zwar wegen der Art des Erregers. Je nach Erreger hinterlässt eine natürliche Infektion keine dauerhafte Immunität, und das können dann auch die Impfstoffe nicht leisten.

Leptospirose

Gerechtfertigt ist der Begriff Grundimmunisierung im Fall der Leptospirose (Lepto), denn lebenslanger Schutz ist hier nicht zu erwarten. Die Grundimmunisierung besteht aus zwei Impfungen im Abstand von zwei bis vier Wochen, danach soll jährlich geboostert werden. Lepto-Impfstoffe gelten als überdurchschnittlich nebenwirkungsträchtig. Das ist keineswegs ein Hirngespinst fundamentalistischer Impfgegner. Diese Produkte werden aus abgetöteten ganzen Bakterien hergestellt (Ganzkeimbakterine) und enthalten deshalb eine Reihe von Bestandteilen aus der Zellwand (Endotoxine), die besonders reaktogen sind, das heißt, sie können das Immunsystem stark stimulieren und auch überstimulieren. In der Humanmedizin sind Ganzkeimbakterine seit Jahrzehnten nicht mehr üblich. Bekanntes Beispiel sind die Ganzkeimimpfstoffe gegen Pertussis (Keuchhusten), die wegen der Nebenwirkungen durch Produkte ersetzt wurden, die nur noch wenige Proteine enthalten.

Die Lepto-Impfung wird Hundehaltern oft mit dem Argument angeraten, dass infizierte Hunde Menschen mit den Bakterien anstecken können. Lepto-Impfstoffe verleihen allerdings keine sterile Immunität, auch durchgeimpfte Hunde können sich infizieren und Leptospiren im Urin ausscheiden. Das geht auch aus den Beipackzetteln hervor, worin i. d. R. nur versprochen wird, dass die Besiedelung der Nieren und die Ausscheidung der Bakterien über die Harnwege vermindert würden. Ob ein Hund die Lepto-Impfung verträgt oder nicht, lässt sich nicht vorhersagen. Als gravierendste Nebenwirkungen werden im Beipackzettel eines der neuen Vierfach-Leptoimpfstoffe (mit vier verschiedenen Lepto-Arten) immunvermittelte Thrombozytopenie und immunvermittelte hämolytische Anämie aufgeführt. Diese schweren Autoimmunerkrankungen des Bluts sind zwar sehr selten, können aber tödlich enden. In den USA empfehlen Universitätstierkliniken, gegen Lepto nicht vor der zwölften Lebenswoche zu impfen. In der deutschen Leitlinie wird die erste Lepto-Impfung bereits mit acht Wochen anberaumt.

Zwingerhusten

Zwingerhusten kann durch eine ganze Reihe verschiedener Viren und Bakterien verursacht werden. Impfstoffe liegen vor gegen das canine Parainfluenzavirus (Abkürzung Pi, meist in Kombination mit SHP-Produkten) und gegen den bakteriellen Erreger Bordetella bronchiseptica. Außerdem basiert der Hepatitis-Impfstoff, das „H“ in SHP, auf dem Zwingerhustenerreger canines Adenovirus 2 (CAV 2), der zugleich gegen den eigentlichen Hepatitiserreger CAV 1 schützt. Auch regelmäßig geimpfte Hunde können an Atemwegsinfektionen erkranken, weil es außer den genannten weitere Erreger gibt, gegen die keine Impfstoffe vorhanden sind.

Professor Ronald Schultz hält Impfungen gegen Zwingerhusten oder, wie er es bezeichnet, „canine cold“, Hundeerkältung, für verzichtbar, zumal Atemwegserkrankungen auch bei Hunden in der Regel undramatisch verlaufen. Zwingerhustenimpfstoffe sind bisher nicht durch Nebenwirkungen aufgefallen. Der in die Nase zu träufelnde Lebendimpfstoff gegen Bordetella soll jedoch in Haushalten mit stark immungeschwächten Personen nicht verwendet werden, weil Hunde das Impflebendbakterium ausscheiden und anfällige Menschen anstecken können. Außerdem können Hunde selbst durch das Impfbakterium erkranken.

Borreliose

Impfstoffe gegen die von Zecken übertragene Borreliose sind ebenfalls Ganzkeimbakterine und daher nebenwirkungsträchtig. Gegen diese Impfung spricht, dass Hunde sehr selten – wenn überhaupt – an Borreliose erkranken. Viele infizieren sich mit Borrelien, zeigen aber keine Krankheitssymptome (Gelenkbeschwerden). Laut dem Mikrobiologen Professor Roland Friedrich, Emeritus der Universität Gießen, ist der Anteil der Hunde, die nach einer Borrelieninfektion erkranken, noch geringer als der Anteil der anfälligen Menschen, der mit 0,1 bis 1,5 Prozent der Infizierten beziffert wird. Was an den Borreliose-Impfstoffen für Hunde stutzig machen sollte, ist die Tatsache, dass es weltweit keinen einzigen für Menschen gibt. Ein Ganzkeimbakterin kommt für den Humangebrauch wegen des Nebenwirkungspotentials ohnehin nicht in Frage. Doch bei Hunden – und anderen Tieren – spielt das offenbar keine Rolle.

Der Ursprung der jährlichen Nachimpfung

Jährliche Impfwiederholungen sind in der Humanmedizin unbekannt. Die einzige Ausnahme bilden die Influenza-Impfstoffe, die allerdings wegen der Veränderlichkeit der Erreger fast jedes Jahr neu entwickelt werden. Kein Mensch wird jedes Jahr zur Nachimpfung gegen Bakterien aufgefordert, seien es Pneumokokken, Meningokokken, Haemophilus influenzae (bei Kleinkindern), Tetanus oder Diphtherie. Und erst recht wird kein Mensch zu jährlichen Boostern gegen Virusinfektionen wie Masern-Mumps-Röteln oder Polio einbestellt. Immunbiologisch ist es alles andere als begründet, dass Impfstoffe bei Kleintieren wie Katze oder Hund nur 365 Tage oder dreimal 365 Tage Schutz bieten sollen.

Der Ursprung der jährlichen Impfung liegt in den Zulassungsvorschriften für Veterinärimpfstoffe, die, anders als in der Humanmedizin, keine immunologisch basierten Angaben zur Immunitätsdauer vorsehen. Vorgeschrieben ist vielmehr der experimentelle Nachweis der vom Hersteller angegebenen Dauer des Impfschutzes. Es dürfte nicht verwundern, dass die Pharmaindustrie ihre Chance genutzt und ausschließlich „Ein-Jahres“-Impfstoffe auf den Markt gebracht hat. Dies kam auch den Tierärzten entgegen. Weil Haustiere Privatpatienten sind, öffentliche Kassen mithin niemals tangiert waren, fehlte jegliches staatliche Korrektiv gegen diese Impfpraktiken.

Die Lage änderte sich erst, als sich Hochschulveterinäre in den USA mit Verweis auf immunologische Fakten gegen die jährlichen Nachimpfungen aussprachen. Auslöser waren die meist tödlichen Impfsarkome bei Katzen (Tumoren an der Impfstelle), die ab den 1990er Jahren immer häufiger diagnostiziert wurden. Veterinärpathologen schlugen Alarm und setzten eine breite Debatte in Gang. Dies mündete in neue US-Impfrichtlinien mit verlängerten Auffrischabständen – allerdings nur für einige Virusimpfstoffe. Alle namhaften Hersteller haben sich im Zuge der öffentlichen Debatte immerhin dazu bequemt, für SHP-Impfstoffe Daten über drei Jahre vorzulegen. Was aber auch nicht beweist, dass der Schutz nach dieser Frist verschwindet.

Dreijahresintervalle sind ein Kompromiss, der sich medizinisch nicht begründen lässt. Herstellerunabhängige Langzeitstudien für SHP (Impftitermessungen und Experimente mit Belastungsinfektion von Labortieren viele Jahre nach der Impfung) haben bestätigt, dass auch Hunde ein dauerhaftes Immungedächtnis besitzen. Für bakterielle Hunde-Impfstoffe gibt es bedauerlicherweise keine Mehrjahresuntersuchungen, hier existieren nur Herstellerstudien von einem Jahr Dauer.

Tollwut

Die Impfung gegen Tollwut nimmt eine Sonderstellung in der Kleintiermedizin ein, weil sie vom Staat reguliert wurde und wird. Sie ist die einzige Haustierimpfung, die, wenn auch nur indirekt, als Pflichtimpfung bezeichnet werden kann. Obligat ist eine gültige Impfung für grenzüberschreitende Reisen mit Haustieren. Gültig ist sie dann, wenn sie in den vom Hersteller vorgeschriebenen Abständen wiederholt wird. (Wird das Nachimpfintervall auch nur um einen Tag überschritten, gilt der Hund wieder als „erstgeimpft“ und darf erst nach einer Wartezeit von 21 Tagen über die Grenze reisen.)

Bis 2005 wurde in Deutschland und der EU nur die jährliche Tollwutimpfung anerkannt – obwohl seit den 1970er Jahren belegt war, dass diese Virustotimpfstoffe weit länger als ein Jahr immunisieren, nämlich vier Jahre und mehr. Erst eine EU-Verordnung zum Tollwutschutz für mitreisende Heimtiere brachte Besserung. Neue Produkte mussten für eine mehrjährige Immunitätsdauer nicht entwickelt werden, geändert wurden ab 2005 nur die Beipackzettel. Allerdings kann ein Hersteller auch heute noch seinen Tollwutimpfstoff als „Ein-Jahres“-Produkt vermarkten, die Zulassungsbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut, hindert ihn daran nicht.

Die terrestrische Tollwut, also die Tollwut von am Boden lebenden Wildtieren mit dem Fuchs als Hauptüberträger, ist in Deutschland und fast allen seinen Nachbarländern seit vielen Jahren ausgerottet. Ausnahme sind östliche Landesteile Polens, dort wird die Infektion mit Köderimpfungen bekämpft. In Deutschland und anderswo tritt Fledermaustollwut auf, die prinzipiell auf andere Tiere und auch auf Menschen übertragbar ist. 2017 wurden im gesamten Bundesgebiet insgesamt 15 Fälle von Fledermaustollwut amtlich gezählt. Fledermaustollwut wurde in Europa noch nie bei Hunden festgestellt und ist auch bei Katzen – die eher mal eine Fledermaus erwischen – extrem selten diagnostiziert worden, in Deutschland noch niemals, trotz der vielen Streunerpopulationen.

Derzeit werden in Deutschland Tollwutimpfstoffe für Hunde mit einem Jahr, mit zwei Jahren und mit drei Jahren Gültigkeit angeboten. Natürlich sollten Hundehalter einen Dreijahresimpfstoff geben lassen, um ihrem Tier unnötige Booster zu ersparen. Es existieren Impfstoffe wie etwa Nobivac T, die bereits nach der ersten Impfung im Alter von mindestens zwölf Wochen für drei Jahre gültig sind. Die Stiko Vet hat lange Zeit mehr Tollwutimpfungen empfohlen, als die Hersteller  vorgeben: zwei Impfungen im Welpenalter (die bis heute von keinem einzigen Hersteller vorgeschrieben werden) sowie eine weitere im 15. Lebensmonat. 2017 ist die Stiko Vet davon abgerückt, nunmehr wird in der Leitlinie nur noch auf die Herstellervorschrift abgestellt. Das bedeutet: eine Impfung im Welpenalter, Wiederholungen gemäß Herstellerangaben.

Ob Hunde, die nicht ins Ausland reisen, überhaupt noch regelmäßig gegen Tollwut geimpft werden sollten, ist die Frage. Ein sehr kleines Restrisiko stellen illegal eingeführte infizierte Hunde dar. Hat ein Hund ohne gültige Tollwutimpfung Kontakt mit einem solchen Tier, kann er von Amts wegen euthanasiert werden. Nach Angaben der Stiko Vet gab es seit 1978, also in nunmehr 40 Jahren, insgesamt ganze zehn Fälle von importierter Tollwut. Wer besorgt ist, sollte den Hund regelmäßig nachimpfen lassen oder aber ihn von unbekannten Hunden, insbesondere Welpen, strikt fernhalten. Manche Tierärzte haben mittlerweile eine entspannte Einstellung zur Tollwutimpfung, so etwa der Ulmer Veterinär Ralph Rückert, der in seinem Blog schreibt, sie sei bei Hunden, die nicht ins Ausland reisen, verzichtbar, und bei Katzen sowieso.

Impfnebenwirkungen

Übermäßige Impfungen kosten nicht nur Geld, sie können auch die Tiere schädigen. Nach Daten des Paul-Ehrlich-Instituts beträgt die Quote von Impfnebenwirkungen (UAW) in Deutschland bei Hunden gerade mal rund 0,006 Prozent (Zahl der UAW-Meldungen bezogen auf die Gesamtzahl der geimpften Hunde). Das wäre etwa eine UAW pro 30.000 Hunde. Dass diese Quote nur den mangelnden Meldeeifer der hiesigen Tierärzte wiedergibt, belegen internationale Studien: Je sorgfältiger hingesehen wird, desto höher die UAW-Quote. So ergab eine US-Studie eine Quote von 0,38 Prozent (eine UAW pro 263 Hunde), eine japanische eine Quote von 0,62 Prozent. Nach diesen und anderen Studien steigt das Risiko einer UAW mit der Zahl der gleichzeitig verabreichten Impfstoffe, Welpen/Junghunde und kleine Rassen sind überdurchschnittlich betroffen.

Die meisten UAW sind vorübergehend und nicht lebensbedrohlich, beispielsweise Lethargie, erhöhte Temperatur, Schmerzempfindlichkeit an der Injektionsstelle oder Appetitlosigkeit. Ernst nehmen muss man hingegen allergische Reaktionen, die von Kopfödemen über Atemnot, generalisierten Juckreiz, Durchfall und Erbrechen bis hin zum anaphylaktischen Schock reichen können. Für das Jahr 2015 (letztverfügbare Daten) verzeichnet das Paul-Ehrlich-Institut „akutes Schockgeschehen“ bei zehn Prozent aller Meldungen und, wie schon in den Vorjahren, einen auffälligen Anstieg der UAW-Meldungen in Zusammenhang mit den neuen Lepto-Vierfachimpfstoffen. In der Fachliteratur beschrieben sind ferner: vorübergehende Immunschwäche (vor allem bei Welpen, Folge können bakterielle Infektionen sein), immunvermittelte Vaskulitis (schwere Entzündung von Blutgefäßen durch Immunkomplexe aus Impfantigen und Antikörpern, Folge sind schwere Gewebeschäden; hauptsächlich bei kleinen Rassen), immunvermittelte Polyarthritis, immunvermittelte Nierenentzündung (ebenfalls durch abgelagerte Immunkomplexe verursacht) sowie Autoimmunerkrankungen des Bluts. Die deutsche Leitlinie hat UAW bis 2017 überhaupt nicht thematisiert, in der aktuellen Fassung werden erstmals Impfsarkome bei Katzen und Nebenwirkungen durch die neueren Lepto-Impfstoffe genannt.

Soll man Hunde, die ernsthafte, zum Beispiel allergische Reaktionen erlitten haben, weiterhin impfen lassen? Der britische Veterinär Professor Michael Day, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Impfrichtlinien beim Weltverband der Kleintierärzte WSAVA, hat davon abgeraten: In der Regel werde das Tier von weiteren Impfungen ohnehin keinen Nutzen haben. Ein seltenes Eingeständnis aus berufenem Mund, dass in der Kleintiermedizin systematisch zu viel geimpft wird.

 

3 Gedanken zu „Lesefutter: Hundeimpfung“

  1. Vielen Dank für diesen sehr aufschlussreichen Artikel. In meiner Tierhomöopathiepraxis werde ich immer gefragt, wie es sich mit den Impfungen verhält, ob geimpft werden soll, was es mit der „Grundimmunisierung“ auf sich hat etc.. Jetzt kann ich auf diesen Artikel verweisen, in dem alles bestens erklärt ist. Mit den Folgen von Impfungen hatte ich auch schon diverse Male zu tun – obwohl das aus tierärztlicher Sicht immer gern abgetan wird. Ich selbst habe meine Hunde nur alle drei Jahre gegen Tollwut impfen lassen und auch nur wegen des aktiven Hundesports (obwohl ich auch das schon als zu häufig empfand). Als Hunderentner nach dem Ende der aktiven Zeit (ab dem 10. Lebensjahr) gab es auch die nicht mehr. Ich habe sogar die Rettungshundearbeit aufgegeben, da von mir verlangt wurde, meine Hündin jedes Jahr 5-fach impfen zu lassen. So schwer uns beiden das auch fiel, die Gesundheit meines Aussiemädels war mir wichtiger.

    Viele Grüße
    Christine

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  2. Danke für die netten Zeilen.
    Warum soll man Rettungshunde jährlich gegen Staupe-Hepatitis-Parvo nachimpfen? Haben die etwa kein Immungedächtnis? Über jährliche Lepto-Impfungen für Rettungshunde könnte man ja noch streiten, aber dass SHP bei ihnen nur ein Jahr lang halten soll, ist Kokolores.
    LG

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  3. Guten Tag,
    ich habe 2007 Ihr Buch „Impfen mit Verstand“ gekauft, mich durchgearbeitet, und unseren Hund haben wir nie wieder geimpft. Er ist gesund alt geworden. Auch der Nachfolger, ebenfalls ein Tierheimhund, lebt seit 5 Jahren ungeimpft bei uns. Sie kam mit 3 Jahren zu uns. Beide Hunde waren natürlich grundimmunisiert.
    Nun bin ich heute auf Ihre Site gestoßen und damit auf diesen guten Artikel zum Thema.
    Ich möchte mich recht herzlich bei Ihnen für dieses gut recherchierte Buch und natürlich auch für diesen Artikel bedanken. Uns hat Ihr Buch sehr über die Verunsicherung durch die Tierärzte -allgemein und konkret- hinweggeholfen und die Entscheidungsfindung enorm erleichtert.
    LG, Lucy

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