Neue US-Richtlinien Katzenimpfung: Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie

Die American Animal Hospital Association (AAHA) und die American Association of Feline Practitioners (AAFP) haben neue Richtlinien zur Impfung von Katzen veröffentlicht.

Vorweg: Diese Richtlinien sind genauso mängelbehaftet wie die früheren Versionen. Katzen wird immer noch kein vollwertiges Immunsystem mit Gedächtniszellen zugestanden, Impfschutz hält bei ihnen laut den beteiligten Experten höchstens drei Jahre, basta.

Das wundert uns nicht. Gesponsert wurden die Richtlinien durch die Impfstoffhersteller Boehringer Ingelheim Animal Health, Elanco Animal Health, Merck Animal Health und Zoetis (früher: Pfizer) Petcare.

Und: Geschrieben wurden die Guidelines von zwei einschlägigen (Pharma)- Dienstleistern: Scientific Communications Services sowie Kanara Consulting Group. Dienstleister dieser Art sind in der Humanmedizin umstritten, seit sich herumgesprochen hat, dass viele wissenschaftliche (oder pseudo-wissenschaftliche) Arbeiten nicht etwa von den Forschenden verfasst wurden, die als Autoren genannt werden, sondern von Ghostwritern aus derartigen Agenturen. Aufgabe der Ghostwriter-Agenturen ist es, die Produkte der Studienfinanciers (i. d. R. Pharmaunternehmen) vorteilhaft darzustellen, gern auch mittels Datenmassage (Studiendaten werden so lange geknetet, bis das gewünschte Ergebnis rauskommt).

Besonders nett im Fall der neuen Guidelines: Der Chef von Kanara Consulting Group ist ein Tierarzt, der 17 Jahre lang in Führungspositionen bei Pfizer (heute: Zoetis) gearbeitet hat. Schöner kann man Verflechtungen und Interessenkonflikte nicht demonstrieren. Dass Sponsoren und Schreib-, bzw. PR-Agenturen, pardon, „Kommunikationsagenturen“ genannt werden, schafft etwas Transparenz, ändert aber nichts daran, dass solche Richtlinien von vornherein verseucht sind.

So. Und was ist nun neu im Vergleich zu den früheren Versionen?

1. Vierte Impfung mit sechs Monaten

Wie schon der Weltverband der Kleintierärzte (WSAVA) in seinen Guidelines von 2016 empfehlen AAHA und AAFP (bzw. ihre Ghostwriter) nunmehr eine vierte Impfung im Welpenalter. Also: Seuche/Schnupfen-Impfung mit etwa 8, 12 und 16 Wochen und dann noch mal mit sechs Monaten. Dafür soll die bisher empfohlene Impfung ein Jahr nach der letzten Kitten-Impfung entfallen.

(Ob das so praktiziert wird, ist die Frage. Man kann sich unschwer vorstellen, dass Tierärzte gern viermal im Welpenalter impfen und dann noch mal ein Jahr später.)

Hintergrund der Viertimpfung ist, dass manche Katzenwelpen (ebenso wie Hundewelpen) wegen hoher maternaler Antikörperspiegel auch mit 16 Wochen noch nicht erfolgreich geimpft werden können.

An der Stelle wundern wir uns – nicht zum ersten Mal -, dass die Beipackzettel-Angaben der Hersteller zur Grundimmunisierung der Kätzchen (8. Woche, 12. Woche) anscheinend sehr weit von der Wirklichkeit entfernt sind. Anders gesagt: Die Zulassungsstudien der Hersteller finden offenbar unter realitätsfernen Bedingungen statt.

2. Titermessungen für Schnupfenerreger sinnlos

Seit vielen Jahrzehnten weiß man, dass Impfantikörpertiter für die Schnupfenimpfstoffe (felines Herpesvirus und felines Calicivirus) wenig aussagen, weil der Schutz nicht von Antikörpern, sondern von zellulärer Immunität abhängt. Diese Zellimmunität kann man nicht so einfach messen wie Antikörper, dafür gibt es kein Schnellverfahren.

Die mangelnde Aussagekraft von Schnupfenimpfantikörpern hat die Hersteller einschlägiger Tests selbstverständlich nicht davon abgehalten, Schnelltests für die Tierarztpraxis auf den Markt zu werfen, die außer Seuche (FPV) auch Antikörper gegen FHV und FCV messen. Medizinisch sinnlos, aber halt wirtschaftlich interessant.

In den neuen US-Guidelines heißt es nun klipp und klar: Die Antikörperbestimmung eignet sich nicht für eine verlässliche Bewertung der Immunität gegen die Schnupfenerreger. Die Testergebnisse sollten nicht zur Entscheidung über Impfungen herangezogen werden.

Soweit vernünftig. Allerdings: Im Zusammenhang mit der Schnupfenimpfung von Immunität zu sprechen ist fragwürdig, denn Herpes- und Calici-Impfstoffe verhindern nicht die Infektion und oft genug auch nicht die Erkrankung. Unter Immunität stellt man sich etwas anderes vor.

Impfsarkome – der ewige Eiertanz

Der Begriff Impfsarkom, vaccine-associated feline sarcoma, ist in der Kleintiermedizin absolut verpönt. Auf Betreiben der interessierten Kreise (Pharmaindustrie, praktische Tierärzte) darf man seit etwa der Jahrtausendwende nur noch Injektionsstellensarkom, injection-site sarcoma, sagen. Es versteht sich von selbst, dass die Richtlinien-Verfasser das Impfsarkom nicht mit Namen nennen und den gewohnten Eiertanz aufführen.

In der derzeit gültigen Version der WSAVA-Richtlinien (2016) wird die klare Empfehlung ausgesprochen, Katzen wann immer möglich adjuvansfreie Impfstoffe (Produkte ohne Wirkverstärker) zu geben. Sogar in der Leitlinie der deutschen Stiko Vet (2019) heißt es im Abschnitt über das feline Leukämievirus, FeLV, dass adjuvansfreie FeLV-Impfstoffe vorzuziehen seien.

In den neuen US-Guidelines hingegen kann man sich für adjuvansfreie Katzenimpfstoffe nicht erwärmen. Dass adjuvanshaltige Produkte an der Impfstelle eine starke Entzündung auslösen und dass daraus ein Sarkom entstehen kann, ist nach Meinung der Autoren (oder der Ghostwriter) nicht genügend belegt. Da sind sie auf einmal gaaaanz streng wissenschaftlich und finden an jeder Studie zum Thema was zu kritisieren.

Der wahre Grund dürfte wohl darin liegen, dass nur einer der vier Richtlinien-Sponsoren adjuvansfreie FeLV- und Tollwutimpfstoffe für Katzen in seinem Portefeuille hat, die anderen drei haben so etwas nicht.

Immerhin wird in den Guidelines nachdrücklich dafür plädiert, die Impfspritze bei Katzen nur in die Gliedmaßen zu geben, niemals in den Rumpf und schon gar nicht ins Genick.

Seltsam ist, dass das nur für Impfinjektionen gilt. Hätten wir es wirklich mit „Injektionsstellensarkomen“ zu tun, egal ob Impfstoff, Antibiotikum, Kortison etc. pp, wäre das ein zwingender Schritt, auf den man auch an dieser Stelle hätte hinweisen können. Wo es doch den Autoren so sehr um die Verhütung von „Injektionsstellensarkomen“ geht.

Fazit

Alles wie gehabt: Drei-Jahres-Abstände für einige wenige Impfungen, ansonsten jährlich reinhauen, was geht. Die Zeiten, als in den USA (bisschen) frischer Wind in der Kleintiervakzinologie wehte, sind längst vorbei.

Pharmaunternehmen lassen Richtlinien schreiben, und so sehen die Richtlinien dann auch aus.

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