OT: Der Horror naht


Der Horror naht, aber damit meinen wir nicht Halloween, sondern die Grippe (Influenza). 

Vor allem in britischen Medien, aber auch in deutschsprachigen wird in den letzten Wochen düster gewarnt vor einer „Horror-Grippe“, die in Australien schrecklich gewütet haben soll. 

Wirklich?

Öhm, nein. 

Das erfahren wir aus einem Bericht des australischen Staatssenders ABC.

Diesem Sender kann man ganz gewiss keine impffeindliche Agenda nachsagen. 


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In der zu Ende gegangenen australischen Saison wurden der ABC zufolge etwa zweieinhalbmal so viele Fälle von laborbestätigter Influenza gezählt wie im Vorjahr.

Doch so hoch war der Anstieg wohl nicht. Denn laut Professor Peter Collignon von der Australian National University ist die Zahl irreführend, weil zumindest ein Teil davon auf mehr Schnelltests zurückgehe. 

Gemessen an grippebedingten Arzt- und Krankenhauskontakten ergebe sich bisher eine Zunahme um etwa 50 Prozent. 

Also nicht 250 Prozent. 

Besonders schlimm waren die Erkrankungen übrigens nicht, sondern mild bis mäßig.*

Es stimmt auch nicht, dass es die Kinder mehr als sonst getroffen habe, wie in manchen Berichten behauptet wurde. 

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Inzwischen steht fest, dass der aktuelle Impfstoff in Australien nicht zu dem Influenza-Stamm passt, der die meisten Erkrankungen verursacht hat. 

Das passiert häufig, so Collignon. Aber selbst wenn der Impfstoff die relevanten Stämme enthalte, sei er oftmals nicht so wirksam wie erwartet. „Wir wissen nicht, warum.“

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In einem Meinungsbeitrag für das (sehr renommierte) British Medical Journal schreibt Collignon zusammen mit einem Kollegen über die Grippeimpfung für medizinisches Personal und wie man sich am besten auf Influenza-Epidemien vorbereitet: 

„Drei Optionen sind verfügbar: Impfung, antivirale Medikamente und Hygienemaßnahmen. Die größte Aufmerksamkeit wird der Impfung zuteil, was eigenartig ist, denn ihre Wirksamkeit ist enttäuschend. 

Laut einem kürzlich aktualisierten Cochrane-Review senkt die Impfung die laborbestätigten Influenza-Fälle nur von zwei auf ein Prozent, was sich bei gesunden Erwachsenen (einschließlich schwangerer Frauen) … gar nicht bemerkbar macht in der Flut der influenza-ähnlichen Erkrankungen (…)

Überdies besitzen diejenigen, die sich wiederholt impfen lassen, aus unbekannten Gründen weniger Schutz.“***

(Übers. u. Hervorh. MP) 

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Eine beeindruckend präzise Einschätzung zur australischen „Horror-Grippe“ lieferte eine österreichische Gesundheitsexpertin, die in Medien wie folgt zitiert wurde: 

„Es ist immer wieder so, dass, wenn in Australien eine starke Saison war, es in Europa auch so werden kann.“**

Yeah. Es wird auch so, oder es wird halt anders.  


* Die Zahl der Grippetoten betrug nach ABC-Angaben vom September rund 370, davon die meisten in Altenpflegeheimen. Australien hat etwa 24 Millionen Einwohner. 

Aktualisierung am 6. Januar 2018: Laut offiziellen Angaben vom Oktober 2017 waren es nicht 370, sondern 72 Todesfälle durch Influenza. 

** Soweit ersichtlich, enthalten die für Europa produzierten Influenza-Impfstoffe die gleichen (von der WHO ausgesuchten und empfohlenen) Stämme wie die australischen. Sie dürften also genauso nutzlos sein wie die australischen Vakzinen, sollte hier der gleiche dominierende Stamm zirkulieren.

*** Es gibt eine durch Studien gestützte Hypothese, warum das so ist, siehe hier


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